Diesseits und jenseits der Ökonomie


Ein tieferer Einblick in das Buch.

Veröffentlicht 2022

ISBN: 978-3-658-34592-1 
ISBN: 978-3-658-34593-8 (eBook)

Aus dem Inhalt

Vorwort

Sich mit „fachfremden“ Wissenschaftsdisziplinen – wie in diesem Fall der Ökonomie oder den Wirtschaftswissenschaften – zu befassen, ist für nicht wenige Vertreter dieses Fachgebietes befremdlich. Sogenannte Wirtschaftsexperten, die in Treu und Glaube über Jahrzehnte ihren Lehrstatus und ihr Spezialwissen in einer wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät praktizieren und verteidigen, sehen sogar eine Kränkung, einen Affront darin, ihren „guten“ Namen, ihre Reputation zu beleidigen oder sogar zu beschädigen.

Es sind nicht wenige Persönlichkeiten, die in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit derart gefangen sind, dass sie die Dynamik und damit die äußerlichen Veränderungen jenseits ihres Fachhorizontes kaum wahrnehmen, und wenn doch, es viel zu spät tun, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Denn bis in die Gegenwart und vermutlich auch noch weit in die Zukunft baut eine Mehrheit von Wirtschaftswissenschaftlern auf den „rational“ handelnden Menschen, den „homo oeconomicus“, als Grundlage ihrer Wirtschaftstheorien.

Kein geringerer als Amartya Sen, der über sein Wirtschaftsstudium hinaus an philosophischen und ethischen Fragen interessierte indische Wirtschafts-nobelpreisträger aus 1998 und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2020, hat in seiner vielzitierten „Kritik der Verhaltensgrundlagen der Ökonomischen Theorie“, (Sen (1977) im Original, Sen (2020) in Deutsch) die vorab genannten wirtschaftlichen Nachläufer eines homo oeconomicus“, als Rationale Dummköpfebeschrieben, so der Titel seines Beitrages.

Nun, warum befasse ich mich als Ingenieurwissenschaftler mit ebensolchen fachfremden Themen? Es sind zwei tief greifende Gründe, die mich veranlassen, die Wirtschaftswissenschaften bzw. die Wirtschaftslehren in diesem Sachbuch zu behandeln. In diesen Zusammenhang spielt auch die Tatsache eine bedeutende Rolle, dass die Ökonomie ein zutiefst gesellschaftliches Fundament besitzt. Die Ökonomie ist ohne jeden Zweifel eher den Sozialwissenschaften als den Naturwissenschaften zuzurechnen, obwohl es starke Tendenzen gibt, den Wirtschaftswissenschaften den mathematischen und somit naturwissen-schaftlichen Stempel aufzudrücken! Die untrügliche Realität zeigt jedoch ein anderes Ergebnis: Keine Maschine, kein Zahlungsmittel und kein noch so intelligenter mathematischer Algorithmus kann einen Wirtschaftsprozess ohne den Menschen initiieren, geschweige denn nachhaltig, im ursprünglichen Sinn des Wortes, lenken.

Der Mensch ist das Maß aller ökonomischen Dinge.

Diese Tatsache führt jedoch in der ökonomischen Umwelt nicht selten auch zu irrationalen Denken und Handeln. Nicht wenige der exponierten Verfechter einer irrationalen fatalen Ökonomie versuchen ihr ein mathematisches Korsett überzustülpen, die Ökonomie sozusagen als Teil der Naturwissenschaften zu etablieren, wie vorab angedeutet. In seiner perfidesten Form wird sogar versucht, die komplexe dynamische Natur zu mathematisieren und zu monetarisieren. Es ist der kurzsichtige und fehlgeleitete Versuch, sich die Milliarden Jahre andauernden Prozesse der Natur, die unser Überleben bestimmen, auch durch geldwerte Maßstäbe untertan zu machen. Größer kann Verblendetsein einer fatalen Ökonomie kaum ausgedrückt werden.

Was sind nun die zwei vorab angesprochenen tief greifenden Gründe, die dieses Buch prägen?

1. Der ökonomische Dualismus.

Dieser zeigt sich einerseits – über Jahrzehnte bis in die Gegenwart – durch die imposante Dominanz von wirtschaftlichen Aktivitäten quer durch alle gesellschaftlichen Lebens- und Arbeitsbereiche. Ingenieurtechnische Höchstleistungen – ohne an dieser Stelle auf deren Sinn und Zweck nähern einzugehen – wären durch wirtschaftliche Unterstützungen kaum realisierbar. Wirtschaftliches Handeln prägt mit dem ersten Taschengeld bereits unsere Kindheit und endet bei milliardenschweren Gehältern von Geschäftsführern multinationaler Konzerne.

Andererseits wirkt die außerordentliche Kraft und Macht der Ökonomie in einer Weise auf die Vielfalt des Lebens und somit auf unsere Existenzgrundlage willkürlich zerstörerisch und vernichtend. Durch kurzsichtige, fehlgeleitete Geld- bzw. Gewinngier werden wirtschaftliche Aktivitäten befeuert, die ohne jede Rücksicht auf Verluste auch größere industrielle und naturzerstörende Katastrophen billigend in Kauf nehmen.

Allseits bekannte Beispiele hierfür sind Chemiewerkexplosionen u. a. im indischen Bhopal 1984, Kernkraftwerkexplosionen u. a. im russischen Tschernobyl 1986, das Öltankerunglück der Exxon Valdez 1989 vor Alaska, das Deep-Water- Horizont-Ölplattformunglück 2010 im Golf von Mexiko, die andauernde Totalzerstörung von Urwäldern im Amazonasgebiet, in Indonesien, in Afrika, bei der natürlichen Lieferanten für unseren lebenswichtigen Sauerstoff auf immer verschwinden, um nur einige wenige zu nennen.

Der mentale Antrieb, den Personen verinnerlichen, die sich dem ökonomische Dualismus unterwerfen bzw. aktiv mitwirken, ist ihr kurzsichtiges fehlgeleitetes Denken und Handeln – short term missent.

Der ökonomische Dualismus prägt die in diesem Dunstkreis aktiv wirkenden Personen durchaus durch einen hohen Grad an Detail- oder Spezialwissen für ihre Tätigkeiten. So bewirken sie innerhalb ihres Fachhorizonts durchaus imposante Leistungen. Erfahrung und Wissen über den eigenen Fachhorizont hinaus übersteigt jedoch nicht selten ihre intellektuelle kausale Kraft und zeigen Grenzen ihres Leistungsvermögens in einer sich wandelnden Umwelt. Sie wissen vielfach erstaunlich wenig bis nichts von dem, was ihre auf ökonomische Ziele fixierten Aktivitäten in der realen komplexen Außensphäre für – externalisierte – schadensreiche Folgen anrichten können.

Geld und Gier sind in nicht wenigen Fällen das ökonomische Gespann für einseitige oder isolierte (Pseudo-)Fortschritte in einer Gesellschaft, deren Überleben auf vernetzten Zusammenhängen in dynamisch komplexem Umfeld basiert und durch das evolutionäre Prinzip der Kooperation maßgeblich bestimmt wird. Besondere Instrumente dieses einseitig ökonomischen, gewinnmaximierenden Fortschritts sind sogenannte „Private Equity“,*„Cross-Border-Leasing“**-Verträge, „Public-private-Partnership“*** und das vielfältige Differenzierungsinstrument Subventionen (auf die Vor- und Nachteile dieser Instrumente kann im Einzelnen nicht eingegangen werden. Interessierte Leserrinnen und Leser findet aber zahlreiche Publikationen darüber).

* Private Equity ist privates Beteiligungskapital von Unternehmen oder Gesellschaften an andere Unternehmen oder Institutionen. Häufig sind es auf diese Art von Geschäft spezialisierte Kapitalbeteiligungsgesellschaften, auch bekannt als Private-Equity-Gesellschaften (PEG).
** Cross-Border-Leasing (CBL) sind/waren (weil durch die US-Steuerbehörden 2008 als Scheingeschäft verboten) Ländergrenzen überschreitende Mietverträge zur Übertragung von Vermögensgegenständen des Leasingnehmers (oft deutsche Kommune) an den Leasinggeber (mit Sitz in den USA), der dadurch erhebliche Steuervorteile erzielt. Ein Beispiel ist die Vermietung eines kommunalen Wasserwerks (z. B. um Instandhaltungs-kosten oder andere Investitionskosten zu sparen).
*** Public-Private-Partnership (PPP), auch als Öffentlich private Partnerschaft (ÖPP), ist weitgehend einem Miet- oder Pachtvertrag ähnlich, der als Zweckgemeinschaft geschlossen wird. Der Staat als „öffentliche Hand“ schließt mit einem Privatunternehmer einen Vertrag zum Bau eines Autobahnteilstücks, wobei der Staat das damit verbunden Gemeinwohlziel beachtet, der Investor und Erbauer die Verantwortung für das Autobahnteilstück übernimmt und nach dessen Fertigstellung über Jahre dafür Miete bzw. Pacht kassiert.

2. Das Prinzip des evolutionären Fortschritts.

Dieses naturorientierte Prinzip unterscheidet sich deutlich von dem Prinzip des Fortschritts, der durch bewusste disziplinorientierte Grenzziehungen von Menschen erzielt wird. Denn Menschen suchen eher in überschaubaren Rahmen und kausalen Denk- und Handlungsstrukturen nach Lösungen für ihre Probleme. Sie tun sich überaus schwer damit, Zusammenhänge – zumal in dynamisch komplexem Umfeld – disziplinübergreifend zu erkennen, woraus in nicht wenigen Fällen enorme Folgeprobleme resultieren (siehe Punkt 1 vorab).

Evolutionärer Fortschritt, der auch ökonomisch geprägt ist, ist Fortschritt in vernetzten rückgekoppelten Material- und Informationsflüssen unter effizienten Energiewandlungskaskaden. Tierische und pflanzliche Organismen akzeptieren die Realität dynamischer komplexer Lebensräume und sind perfekt darin, sich an diese anzupassen. Das Ziel der Stärkung organismischer Überlebensfähigkeit ist auch geprägt durch Kooperation und Konfrontation bzw. Konkurrenz.

Die Soziobiologie (Urry et al. 2019, S. 1624 ff.; Campbell et al. 2006, S. 1358 ff.; Wuketits 1997) betrachtet im evolutionären Kontext das Sozialverhalten. Im weitesten Sinn betrifft dies jede Art von Interaktion zwischen artgleichen und artfremden Tieren und Planzen****.
**** Dass pflanzliche Organismen ebenso kooperatives wie konkurrierendes Verhalten zeigen, ist seit langem durch zahlreiche Untersuchungen belegt (s. u. a. Küppers 2020; Mancuso 2017; Mancuso und Viola 2015; Hensel 1993).

In der folgenden Tabelle werden interspezifische Wechselwirkungen und deren Wirkung auf die Populationsdichte erkennbar. Die ergänzende Tabellenspalte dazu bildet die Interaktionen auf die Ökonomie bzw. deren organismischen bzw. soziotechnischen Protagonisten ab. Tabellensymbolik : nachteilige Wirkung, +: vorteilhafte Wirkung; 0: neutrale Wirkung. Vorlage zu den ersten beiden Spalten: Campbell et al. 2006, S. 1406, Analogie zur Ökonomie in der dritte Spalte d. d. A.

Kooperatives Verhalten, ob als Symbiose zwischen artfremden Partnern oder engen Verknüpfungen schafft für alle Beteiligten notwendige/hinreichende Bedingungen für ihre Fortschritte. Auch ökonomische geleitete Unternehmen machen hier im Prinzip keine Ausnahme, sofern Kooperationen mit Partnern auf gegenseitigen Vertrauensverhältnissen basieren.

Das Prinzip des evolutionären Fortschritts auf ökonomische Entwicklungen und Ziele angewendet, unter Berücksichtigung von Kennzeichen für nachhaltige Produkte, Prozesse und Organisationen bedeutet in erster Linie, Unternehmensführung, Planung, Entwicklung, Herstellung und Vermarktung in einer komplexen dynamischen Umwelt unter vorausschauendem, weitsichtigen und vernetzten Blick zu betrachten.

Vorausschauendes Denken und Handeln – in unserer vernetzen Umwelt – ist der Schlüssel für fortschrittliche, fehlertolerante Entwicklungen, die Leben auf unserer Erde kooperativer statt konfrontativer gestalten kann.

Das kybernetische Prinzip der „negativen Rückkopplung“, welches vernetzte unternehmerische Aktions-Wirkungsnetze stabilisieren kann, um grenzüberschreitende potentielle Risiken bzw. Zerstörungen zu vermeiden, spielt hierbei eine zentrale Rolle.

Die folgenden Transformationen in der nachfolgenden Tabelle von gängigen, an ökonomischer Wachstums- und Gewinnzielen orientierten Rahmen und Prozessen (links), hin zu einer zukunftsweisenden, vorausschauenden, ganzheitlichen kybernetischen Unternehmensorganisation und Prozessen (rechts), sollen nur als eine erste Orientierung verstanden werden, die den Blick in Richtung jenseits der gegenwärtigen fatalen Ökonomie in eine zukunftsweisende Ökonomie lenken soll.

Ein neue zukunftsweisende Ökonomie, jenseits der kurzsichtigen, fatalen, erfolgs- und gewinnorientierten und immensen Schaden anrichtenden Ökonomie,kann nur als eine ganzheitliche systemische Ökonomie, unter ausgewogener Berücksichtigung realer vernetzter Wirkungsprozesse erfolgreich sein. Wege und Strategien in einer offenen Gesellschaft aufzuzeigen, die in diese Richtung führen, ohne die teils katastrophalen Fehler der fatalen Ökonomie zu wiederholen, ist das eigentliche Ziel dieses Buches.

• Drei große Weltwirtschaftskrisen – Maßlosigkeit und Zivilisierung

Über die drei großen Weltwirtschaftskrisen, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart mit jeweils jahrzehntelangen Unterbrechungen ereigneten bzw. gegenwärtig zutragen, ist viel geschrieben worden, sodass diese Szenerien nur gestreift werden.

Um im späteren Verlauf des Buches über eine «zukunftsweisende jenseitige Ökonomie» vergleichend diskutieren zu können, ist es erforderlich, vorab den Blick auf das zur Zeit vorherrschende Paradigma eines stets vorhandenen sozialdarwinistisch beeinflussten und neoliberal gesteuerten Kapitalismus «Diesseits der Ökonomie» zu richten und dessen Auswirkungen etwas detailliert zu betrachten. Dies soll jedoch sehr sparsam geschehen, ohne auf die oft parallelen Argumentationen in den einschlägigen Fachpublikationen, die es in Hülle und Fülle gibt, hinweisen zu wollen.

Stattdessen wird der diesseitige ökonomische Fokus – stellvertretend für viele Fundamentalquellen zur Ökonomie – auf die sehr fundierte und detailreiche Erarbeitung der drei Wirtschaftskrisen von Konrad Schwan (2016) gelegt. Selbstverständlich werden im Verlauf der Arbeit noch weitere Ökonomen und Experten anderer Fachdisziplinen zu Wort kommen, immer mit dem festen Blick auf das postulierte Arbeitsfeld einer «zukunftsweisenden jenseitigen Ökonomie».

Als Vorwort zu seinem Buch Führung und Motivation in und nach Weltwirtschaftskrisen‚Theorie – Empirie – Entwicklung‘ beschreibt Schwan die drei Weltwirtschaftskrisen (2016, 5–8) als erschütternden Auftritt, der die Welt ins Schwanken brachte. Er nennt insbesondere die Weltwirtschaftskrise ab 2007 (Hauskreditblase in den USA, d. A.).

Erschreckend aus heutiger Sicht im Jahr 2023 daran ist, dass der Lerneffekt aus den bisherigen Wirtschaftskrisen, mit ihren Milliarden Verlusten an Geld und Sachgütern, regelrecht verpufft, sich in unproduktive Entropie (Wärme) verwandelt.

In einem »Drama am Sonntag«, 19. März 2023, in Zürich (Schweiz), einem renovierten Bankenstandort, übernahm die Schweizer Großbank UBS die wankende Konkurrenzgroßbank Credit Suisse mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken (rund 101 Milliarden Euro).
ZDF-Finanzexperte Frank Bethmann. „Ein unkontrollierter Zusammenbruch hätte ziemlich sicher eine neuerliche Bankenkrise ausgelöst.“

(Quelle): https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/credit-suisse-schweiz-bank-krise-uebernahme-ubs-100.html)

Wenn wir auf die Folgen der US-Führung unter Donald Trumps Maxime «America first(!?)» im «Weißen Haus» in Washington fokussieren, auf das «Pulverfaß» der arabischen Krisenregionen blicken oder den risikoreichen Handelskrieg zwischen China und den USA betrachten, um nur die herausgehobenen Weltwirtschafts- und Weltsozialkonflikte zu nennen, ist sogar noch eine deutlich größere Krisenverschärfung und Risikoerhöhung erkennbar. Auch wenn mit J. Biden die USA-Regierung im Januar 2021 einen vermutlich gemäßigteren Präsidenten als seinen Vorgänger bekommen hat, bleiben deswegen die Krisenregionen der Erde nach wie vor bestehen. Nicht ausgeschlossen, dass sie sich sogar noch ausdehnen, mit Blick auf die Handelsbeziehungen zwischen den Supermächten USA und China.

Schwan hält den Glauben daran, dass die Krise der Vergangenheit angehört, wenn sie vorüber sei, für einen naiven und folgenschweren Fehler.

Das schweizer Credit-Suisse-Desaster im März 2023 gibt Schwan vollkommen Recht.

Er führt dafür drei Gründe an. Erstens gab es einen verhängnisvollen Vorlauf von der Ursache bis zum Ausbruch der Krise mit unsäglichem Leid, das keiner mehr erleben will. Zu glauben, die Krise ist gelöst und vorbei, wenn der Status vor Ausbruch der Krise erreicht wird, wäre sicher ein naiver und folgenschwerster Irrtum. Einmal lagen die Ursachen für das Entstehen der Krise natürlich viele Jahre vor deren Ausbruch und wer kann in dieser verhängnisvollen Phase zurück wollen, die der Welt unvorstellbares Leid brachte? Der gewaltige Einschnitt erzwingt zu einer Umkehr bisheriger Wirtschaftsstrategien in eine völlig neue – theoretisch. Gelingt das nicht, fällt die Wirtschaft wie nach einem Muster wieder in ihren alten Trott.

[…] Innovatives und wertgebundenes Denken, Mut, gebündelte Energie von Vielen und Ausdauer sind notwendig, wenn es nicht nur irgendwie weitergehen soll, sondern nachhaltige Entwicklungen und Fortschritte das erreichbare Ziel sind. Darin lägen die Chancen einer wirklichen Neuorientierung, die auch diesen Namen verdient (Schwan 2016, 7).

Diese Schwan´sche Neuorientierung ist mit Blick auf den Bankensektor noch nicht einmal mit dem Fernglas am Horizont erkennbar!

•  Fatale diesseitige Ökonomie

Die Botschaft zur Marktwirtschaft wird von Vögele wie folgt eingeleitet (2007, 11):

„[…] Die Marktwirtschaft ist und bleibt die beste aller Welten. Der Neoliberalismus ist der Fahrplan. Investitionsschwäche, Verkrustungen am Arbeitsmarkt, Versagen des sozialen Sicherungssystems und Umweltprobleme können der Marktwirtschaft nicht angelastet werden. Ihre Leistungsfähigkeit stehen außerhalb jeden Zweifels.

Des Weiteren beschreibt Vögele das Konsumverhalten der Verbraucher, die frei und ohne Zwang ihre Individualität ausleben können. Die Industrie freut sich. Die Wissenschaft als Volkswirtschaftslehre – im Rahmen des Systems der Ökonomie – ist die treibende Kraft (siehe u. a. Fischbach und Wollenberg 2003). Der Kapitalismus zieht seine Bahn. Unternehmerisches Kapital und Arbeit für Arbeitnehmer gehen eine wechselhafte Verbindung ein. Bei Shareholder-Value, übersetzt: Aktienwert, interessiert die Aktienbesitzernur deren Rendite, wohingegen Stakeholder, übersetzt: Anspruchsberechtigte, eher an den Ergebnissen eines Unternehmensprozesses interessiert sind. (vgl. ebd., 12–13).

Versagen Unternehmensmanager und fallen Millionen bis Milliarden Verluste an, werden sie selten bis nie persönlich „zur Kasse“ gebeten. Zum Beispiel wurde im Rahmen des VW-Abgasskandals die VW-Manager Diess und Pötsch vom Gericht 2020 zur Zahlung von jeweils 4,5 Mio. Euro verurteilt – die VW grosszügig übernahm!
(Quelle: https://www.merkur.de/wirtschaft/vw-anklage-gegen-volkswagen-spitze-wegen-marktmanipulationvw-reagiert-zr-13034389.html)

Das Komplexe an der neoklassisch getriebenen Markwirtschaft wird nur ansatzweise durch folgende Abbildung wiedergegeben, wenn berücksichtigt wird, dass Milliarden von großen und kleinen Unternehmen sowie ebenso viele Marktteilnehmer als Verbraucher und nicht zuletzt Myriaden von Organismen in der Natur durch direkte und indirekte Beziehungen miteinander verbunden sind. Der unstreitige dominante Einfluss der neoklassisch gesteuerten Märkte auf die beiden anderen fundamentalen Teilnehmersysteme Soziales und Ökologie lässt sich tendenziell an den Einflussstärken der Pfeilverbindungen ablesen. Diese alle Grenzen sprengende Dominanz des Systemmitspielers Ökonomie im »Spiel des Lebens« ist die eigentliche Ursache für den anthropozänen – von Menschen verursachten – Zustand unseres Planeten.

Das System Ökonomie als komplexe Botschaft

Für viele Wirtschaftswissenschaftler, die der neoklassischen Theorie des Marktes als uneingeschränkter Regulierer anhängen, gilt der Glaubenssatz:

Die Neoklassik ist das feste Fundament für die markteigene Selbstregulation, die keine staatlichen Eingriffe duldet.

Wenn nun viele Wirtschaftswissenschaftler an diesem Glaubenssatz festhalten, ist es umso erstaunlich, wenn eine studentische Rebellion aus 2000 einen gewissen Unmut in der Volkswirtschaftslehre äußert, wie sie gelehrt wird. Dazu Vögele, 2007, 18):

Im Jahre 2000 rebellieren Studenten einer Eliteuniversität in Paris gegen die »Postautistische Ökonomie«, also gegen die Mainstream-Ökonomie, die autistisch im Sinne von selbstbezogen und kommunikationsarm gegenüber der Außenwelt agiert. Sie protestieren gegen diese Scheuklappen, gegen mathematische Zahlenspiele und Elfenbeinturmfragen, gegen Modelle ohne empirische Überprüfung und gegen eine dogmatische Lehre an den Hochschulen ohne Infragestellen der Begründungs-zusammenhänge.
Diese studentische Rebellion lässt hoffen. Sie bohrt sich mit ihren Fakten in das Herz des homo oeconomicus, um ein Bewusssein zu schaffen, für die Realität in unserer Gesellschaft, die mehr ist als die fehlgeleitete ökonomische Gier nach dauerhaftem Wachstum.

• Systemische Organisation – Basis für ein zukunftsweisendes ökonomisches Denken und Handeln

Die Systemperspektive wird die mentalen Modelle und praktischen Ansätze einer zukunftsweisenden jenseitigen Ökonomie stets begleiten.

Unternehmen, egal, ob sie Glaubenssätzen anhängen oder nachhaltigen ganzheitliche Problemvorsorge betreiben, die auf Fortschritt bedacht sind und in einer komplexe Umwelt mit dieser interagieren, sind wie ein offenes System. Sie sind vergleichbar einem lebenden Organismus. Einträge und Austräge über die Systemgrenze beeinflussen das innere komplexe „Getriebe“ eines Unternehmens. Ein dynamisches Fließgleichgewicht ist daher die beste Wahl für ein langlebiges Überleben. Das sogenannte externe oder interne Störgrößen dieses unternehmenrische Fließgleichgewicht stören, ist systembedingt.
Wenn aber die Störungen über einen unumkehrbaren »Kipppunkt« hinauswachsen,
kann daraus ein chaotisches Zusammenspiel erwachsen, bis zum Zusammenbruch oder Stillstand des Unternehmens. Das jüngste Credit Suisse-Chaos hat wohl einen oder mehrere Kipppunkte überschritten. Die Pleite war vorprogrammiert!

Lebende Unternehmen

Arie de Geus, langjähriger Royal Dutch/Shell-Manager, konzentriert die Untersuchung der Lebensfähigkeit von Unternehmen auf vier Aussagen, wie Manager auf allen Ebenen eines Unternehmens handeln sollten, damit seine Zukunftsfähigkeit nicht abrupt endet. Zusammenfassend nennt de Geus:

1. eine Lern- und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen, die er mit „Sensibilität für die Umwelt“ beschreibt, die im ständigen Wandel begriffen ist.
2. beschwört de Geus den unternehmerischen „Zusammenhalt (Kohäsion)“ und eine eigenständige Identität von Personen.
3. unternehmerische „Toleranz“ und„Dezentralisierung“ treiben das „ökologische Bewusstsein eines Unternehmens“
4. fordert de Geus eine wachstumsangepasste „vorsichtige Finanzierung“ (1998., 28–29).

Die vorab zusammengestellten Aussagen de Geus´ sind zugleich die vier „Schlüsselfaktoren“ eines langlebigen Unternehmens.